15.08.2012 11:10

Ab 2013 Kursleiterin für Exerzitien und Kontemplation

Noa Zenger

Noa Zenger, wenn Sie sich selbst in drei Sätzen beschreiben sollten, was gäbe es zu sagen?
Ein erster Satz könnte erzählen von einer Frau mit Wurzeln tief im Berner Oberland, in den Bergen, in der Landwirtschaft der Eltern. Ein zweiter von einer grossen Sehnsucht, auch die Sehnsucht auszubrechen aus den engen Felswänden, die die Sicht einschränken. Der Ausbruch gelang, Neues wurde erobert und verworfen, Identität gefunden. Heute hat die Suche so viel Beheimatung gefunden, dass ich die Erdverbundenheit der Kindheit als Stärke zu schätzen gelernt habe.

Spiritualität und bäuerliches Leben - wie befruchtet sich das konkret?
Mein erster Zugang zu Spiritualität, zu Gott ist kein intellektueller. Auf dem Hof bin ich Gott als Schöpfer, als ordnender Kraft begegnet. Mit einer grossen Selbstverständlichkeit. Ich habe nicht beten gelernt und fromme Worte machen, aber der Dank fürs Essen gehörte vor jeder Mahlzeit dazu, wie der Dank für die trockene Heuernte, die Bitte um gedeihliches Wetter, der Segen für die gefährliche Bergtour. Ich bin wohl behütet aufgewachsen, nüchtern protestantisch. Das hat ein starkes Urvertrauen gefestigt. Auf dem spirituellen Weg fängt alles bei diesem Vertrauen an. Es ist der Mutterschoss Gottes. Die Schöpferhände, die einfach da sind und mich halten. Was auch immer kommt, das Ja Gottes zum Menschen ist unumstösslich da. Im geistlichen Üben formt sich unsere Antwort. Aus dem Ja Gottes erklingt mein Ja. Wie bei Maria Magdalena am Ostermorgen im Garten, die Jesus erst erkennt, als er sie mit ihrem Namen anspricht. Wenn man das vernimmt, kann man antworten. Noch voller Sehnsucht, noch voller Verletzlichkeit. Mit ganzer Hingabe. Aus ganzem Herzen. Hier beginnt ein grundlegender Heilungsprozess, eine Liebesgeschichte.

Ab 2013 werden Sie im Lassalle-Haus Kurse geben für Kontemplation und Exerzitien.
Wie kommen Sie dazu?
Ganz einfach: durch die Anfrage des Hauses. Ich habe einen intensiven geistlichen Weg gemacht die letzten 13 Jahre. Mit eigenem Üben, eigenem Suchen, Krisenzeiten und prägenden Wegmarken. Diese intensive persönliche Auseinandersetzung wurde ergänzt durch das Theologiestudium, das mich zur reformierten Pfarrerin qualifiziert hat, und die Ausbildung zur Exerzitienleiterin im Lassalle-Haus. Durch diesen Lehrgang bin ich sozusagen ignatianisch gebildet, wenngleich der Weg bis dorthin eher kontemplativ ausgerichtet war. Es gab in mir eine Sehnsucht nach Stille und einfach Sein vor Gott, karg und schlicht. Erst an zweiter Stelle kam die Prozessdynamik der Exerzitien. Um eine spezielle Fragestellung zu betrachten oder eine Entscheidung zu treffen, möchte ich sie nicht missen. Beide Wege sind mir auf je ihre Weise kostbar geworden, und ich freue mich darauf, andere darin zu begleiten.


Sie sind dem Lassalle-Haus seit vielen Jahren verbunden; wie wirkte sich diese Begegnung auf Ihr Leben und Ihre Arbeit aus?
Das ist vielleicht auch eine Liebesgeschichte. Nicht zum Haus, aber zu dem Geist, den es wecken will. Immer wieder hat diese Geschichte aber auch zu tun mit Menschen, die mich wirklich gesehen haben und entscheidende Impulse gaben. Mein Religionsdozent im Lehrerinnenseminar, der sagte: «Du musst Theologie studieren.» Franz-Xaver Hiestand in der Studierendengemeinde in Bern, der meine Sinnsuche hinter all der Wissensvermittlung der Universität erahnte und mich ins Lassalle-Haus in eine Exerzitieneinführung schickte. Die Hofgemeinschaft des Biohofs, auf dem ich mit meinem Mann ein Sabbatjahr verbracht habe. Und schliesslich Christian Rutishauser im ersten Kontemplationskurs danach, der ein Feuer gelegt hat, das nicht mehr zu löschen war. Hier habe ich angefangen, regelmässig zu meditieren. Das wirkt sich aus. Unaufhaltsam. Ich habe vieles gemacht in meinem Leben, aber erst in der spirituellen Begleitung von Menschen, erfahre ich, was es heisst, wirklich in seiner Berufung zu stehen. Das macht man nicht und plant man nicht, man wird in die Aufgabe hinein aufgerichtet. Dankbares Staunen: Hier bin ich ganz am richtigen Ort.

Warum würden Sie den Menschen raten, sich auf einen spirituellen Weg einzulassen?
Weil es das Beste ist, was man tun kann! Man erntet mehr als alle Wellness je bieten könnte. Wer mit dem lebendigen Gott in Beziehung tritt, darf teilhaben an seiner Lebendigkeit. Sich auf ihn einzulassen ist ein Wagnis, zum dem auch Krisen und Leiden gehören. Dennoch! Es lohnt sich in jedem Fall. Jeder Marketingmensch muss sich mühen für seine Produkte die richtigen Konsumenten zu suchen. Aber dieses «Produkt» passt zielsicher für jeden Menschen. Es übersteigt alles, was man sich ausdenken könnte. «Geh», möchte ich sagen, «lass dich überraschen.»

Haben Sie ein Vorbild auf dem geistlichen Weg?
Oh, viele. Über Klara und Franz von Assisi habe ich kürzlich gelesen und war fasziniert von der Unbestechlichkeit ihrer Ausrichtung auf Gott. Das ist für mich ein Vorbild. Wenn man die Umstände bedenkt, unter denen sie gelebt haben, und einem Franz begegnet, der Klara als Frau, als eigenständige Person nimmt und sich vehement dafür einsetzt, dass ihre Gefährtinnen nicht einfach bevormundet werden. Er sagt ganz klar: «Diese Frauen haben ihre eigene Beziehung zu Gott. In das, was passiert zwischen Gott und den Seelen dieser Frauen, mischen wir uns nicht ein.» Diesen Respekt vor dem Geheimnis der Liebe, das Gott mit jedem Menschen hat, teile ich zutiefst. Er ist mir eine wichtige Weisung für die geistliche Begleitung. Wir schaffen nur den Rahmen. So verstehe ich auch das Lassalle-Haus. Es braucht Orte, an denen Menschen sich zurückziehen können, wo ein Rahmen gegeben ist, der hilft, in die Stille zu gehen und sie zu wahren. Aber was dann passiert zwischen einem Mensch und Gott, das ist ein Geheimnis, der grosse Schatz eines jeden von uns.

Zurück